Das regulatorische Geheimnis des Marktplatzes London – Options Group

Das regulatorische Geheimnis des Marktplatzes London

Die Wirtschaft ist ein dynamisches System und dadurch auch von Unsicherheiten geprägt. Nach der Finanzkrise im Jahr 2009 wurde eine verschärfte Regulatorik unabdingbar, da sie für Stabilität sorgt. In diesem Zuge haben die G20 die Verantwortlichen der Regulatorik gebeten, dafür Sorge zu tragen, dass die Risiken, die mit der Geldpolitik, dem Immobilienmarkt, dem Konsumverhalten und dem Fehlverhalten im Finanzsektor einher gingen, so nicht mehr auftreten. Zuvor war den meisten nicht bewusst, dass es sich bei Europa um eine zersplitterte Landschaft handelt.

Das Projekt sollte zunächst drei Jahre andauern – mittlerweile ist daraus allerdings ein 10-Jahres-Projekt geworden.

Zunächst bestand die große Anforderung an die Regulatoren der einzelnen europäischen Länder darin, die komplexen und global tief verzweigten Geschäftsmodelle besser verstehen zu können. Dies brauchte Zeit und dauert auch bis heute immer noch an. Die Frage, die sich stellt, ist folgende: Wie viel Regulatorik soll sein, wie viel darf sein?

Prinzipiell haben die Europäischen Banken unter der Regulatorik mehr zu leiden als beispielsweise US-Banken, auch da das Wettbewerbsumfeld hierzulande härter ist als im amerikanischen Heimatmarkt. Der Return on Equity liegt für Europäische Banken deutlich unter 10%, während er bei den Banken im US-Heimatmarkt höher liegt[1]. Dies spiegelt sich ebenfalls im Vertrauen der Märkte in die einzelnen Institute, in Form des Börsenwerts, wider.

Besonders in den vergangenen Jahren wurde die Regulatorik vorangetrieben. Zu einer der wichtigsten Neuerungen gehört BCBS 239. Im Januar 2013 hat der Baseler Ausschuss für Bankenaufsicht (Basel Committee on Banking Supervision – BCBS) die „Grundsätze für die effektive Aggregation von Risikodaten und die Risikoberichterstattung“ veröffentlicht. Die BCBS 239-Grundsätze verschärfen die regulatorischen Anforderungen an Banken und ergänzen bereits bestehende Gesetzesbemühungen, indem sie unter anderem stärkere Anforderungen an das Risikomanagement stellen. Damit sollen Banken befähigt werden, ihre Risiken zu erkennen, und besser zu managen. Das Ziel dieser regulatorischen Vorgaben besteht darin, das Risikomanagement der Banken nachhaltig zu verbessern und Banken dazu zu verpflichten, ihre Risikodaten in angemessener Zeit so aufzubereiten und auszuwerten, dass sie ihre Risiken verantwortungsvoll steuern können [3].

Für mehr Stabilität, Transparenz und Anlegerschutz sorgen auch die im Juli 2014 in Kraft getretenen Gesetzestexte der MiFID II (Markets in Financial Instruments Directive) und der MiFIR (Markets in Financial Instruments Regulation). Sie befassen sich mit den Kernbereichen des kundenbezogenen Wertpapiergeschäfts, des Handels- und Derivategeschäfts sowie der einschlägigen Marktinfrastruktur. Außerdem ist die übergreifende Governance der betroffenen Dienstleister und Marktteilnehmer ihr Anliegen [4].

Darüber hinaus unterstützt seit Mai 2018 die GDPR (General Data Protection Regulation) die wesentlichen Aspekte der Datenschutz-Grundverordnung. Mit den erweiterten Vorschriften bezüglich der Verarbeitung personenbezogener Daten beachten Unternehmen, die Daten von europäischen Bürgern verarbeiten, den bereits komplexen Datenschutzprozess auf einer nunmehr höheren Ebene [5].

Des Weiteren wurden bekanntermaßen die Gehälter der Bankmitarbeiter in Europa stark reguliert, um falsche Incentivierungen und zukünftiges Fehlverhalten einzudämmen. Einzelne Assetklassen, wie beispielsweise der Devisenhandel, haben als Folge einen „Code of Conduct“ formuliert, um allgemein gültige Verhaltensrichtlinien zu generieren. Bestimmt dazu beigetragen hat der Libor-Skandal, in den verschiedene Banken involviert waren. Die mediale Berichterstattung hat sicherlich auch ihren Teil hierzu beigetragen [6].

Regulatorik und Brexit – Warum ist London so attraktiv?

Eine steigende Regulatorik nach der Finanzkrise bedeutet höhere Kosten, die für die Einhaltung dieser aufgewendet werden müssen. Hauptsächlich muss mit Kosten für die Konzeption und Implementierung entsprechender Programme und Strukturen gerechnet werden.

Durch die Fragmentierung des europäischen Marktes muss jede Bank diese „Auflagen“ erfüllen, wobei US- und UK-Banken deutlich größer sind und somit die bereits beschriebenen Kosten besser auffangen können.

Was viele nicht wissen: London ist für die meisten Assetklassen auch deshalb so attraktiv, da es ein breites, allgemein akzeptiertes und bestehendes Framework gibt, das einen effizienten Handel ermöglicht. In Europa ist dies nicht der Fall, weshalb die Gesetze für eben diesen Handel fragmentiert sind.

Großbritannien hat für viele Jahre seinem guten Ruf als pragmatische und rationale Führungskraft alle Ehre gemacht. Grund dafür könnte sein, dass es, zum Beispiel im Vergleich zu Deutschland, keine dezentralen Bankengruppen gibt. Außerdem pflegten die Londoner Finanzwelt und die britische Politik lange Zeit eine „innige“ Beziehung. Begonnen hatte sie mit Margaret Thatchers „Big Bang“, der eine Ära der Liberalisierung startete. London stieg zum größten Finanzzentrum der Welt auf und steuerte bald zehn Prozent zur britischen Wirtschaftsleistung bei. Die Regierungen, gleich welcher Partei, lockerten viele Regeln und senkten Steuern. Was gut ist für die Banken, sei gut für Großbritannien, so glaubten sie [7].

Die EU27 hat vor dem Hintergrund des (ungeordneten) Brexits eine „Äquivalenzinitiative“ gestartet, um genau dies auch in einer post-Brexit Welt zu ermöglichen. Heutzutage bestimmen immer noch individuelle regulatorische Bestimmungen den direkten Handel vieler Assetklassen zwischen den einzelnen europäischen Ländern. Das Handeln eines Wertpapiers in London ist einfach – ein direkter Handel des gleichen Wertpapiers zwischen Mailand und Frankfurt allerdings nicht unbedingt.

Zu bedenken ist, dass die EU-Regulierung lediglich Minimalanforderungen angibt. Jeder Mitgliedsstaat verfügt über eigene Auslegungsrechte und Sonderfälle. Ein einheitliches Framework würde Prozesse vereinfachen und Harmonisierungseffekte mit sich bringen, die höchstwahrscheinlich einen positiven Effekt auf den Bankenstandort EU hat. Dieser erschiene dadurch attraktiver.

Was bedeutet dies für das Personal?

Es ist davon auszugehen, dass im regulatorischen Umfeld – langsam, aber stetig – eine Kompetenz und Harmonisierung zwischen den EU27 ausgebaut wird. Damit verbunden ist auch das Personal in den einzelnen Finanzzentren, das verstärkt und momentan auch gebraucht wird. Für die Karriere vieler Europäer sind diese Jobmöglichkeiten in Handelszentren durchaus von Bedeutung. Gleichwohl ist dies ein langfristiger Prozess, für den – insbesondere vor dem Hintergrund eines geordneten Brexits – kein Bedarf für eine Beschleunigung besteht. Zu beachten sind allerdings auch die Ergebnisse der Europawahl 2019. Das Ergebnis in Großbritannien stellt eine eindeutige Tendenz dar: Die Brexit Party siegt mit 31,6% der Stimmen. Gemeinsam mit UKIP sind es damit 34,9% der Wähler, die einen Austritt aus der EU im Zweifel auch ohne Vertrag wollen [8]. Die Annahme, dass London attraktiv ist und die Regulatorik dadurch verstärkt wird, wird damit bestätigt.

Indessen könnten die Regierungen und die EBA (European Banking Authority) allerdings gezwungen sein, im Rahmen eines harten Brexits rasch zu handeln, um einen reibungslosen intereuropäischen und internationalen Handel weiterhin für alle Beteiligten zu ermöglichen. Ziel der Regulatorik soll letztendlich sein, dass komplexe und neue Vorgaben in laufende Prozesse implementiert werden, dass Regelverstöße und der damit einhergehende Reputationsverlust vermieden werden, dass die bestehenden Geschäftsbeziehungen bewahrt werden und dass die Anforderungen der Gegenwart, wie zum Beispiel der Dialog zu britischen Banken nach dem Brexit bewältigt werden, um die zersplitterte europäische Landschaft zusammenzuführen.

Quellen:
[1] Morris, Stephen/Crow, David: Europe’s Investment Banks Braced More Pain. Analysts Forecast Investment Banking Revenues Will Fall as Much as a Quarter. In: Financial Times, 22. April 2019, abrufbar über: https://www.ft.com/content/a92e2de6-61ef-11e9-a27a-fdd51850994c
[2] Abbildung 1: Abgerufen über: https://de.statista.com/statistik/daten/studie/38289/umfrage/top-10-banken-nach-boersenwert/
[3] Abgerufen über: https://www.reg.tech/de/knowledge-hub/regulatorische-themen/bcbs-239/
[4] Abgerufen über: https://www.l-p-a.com/regulation-technology/regulatorik-compliance/mifid-ii/
[5] Abgerufen über: https://www.bwise-grc.de/losungen/regulatorische-compliance/gdpr.
[6] Knee, Jonathan A.: Review. In „Spider Network,“ an Intriguing Tale of Complicity. In: The New York Times, 17. März 2017, abrufbar über: https://www.nytimes.com/2017/03/17/business/dealbook/review-in-spider-network-an-intriguing-tale-of-complicity.html
[7] Abgerufen über: https://www.zeit.de/2017/20/banken-grossbritannien-brexit-london-finanzkrise.

Über Patrick Schaeffner

Patrick Schäffner ist zuständig für den Bereich Risk Management & Compliance im Frankfurter Büro der Options Group. Zuvor war er bereits erfolgreich bei einer Personalberatung tätig und hat Finanzinstitute, Advisory Boutiquen sowie Industriekunden aus dem DAX beraten. Herr Schäffner hat Moderne Chinastudien sowie Betriebswirtschaftslehre an der Universität zu Köln sowie in Dalian (China) studiert. Im Jahr 2019 beendete er mit Auszeichnung ein MBA-Studium, das seine Kenntnisse in sämtlichen Aspekten des Risikomanagements, Strategie und Management vertiefte.   Bei der Options Group betreut Herr Schäffner internationale Banken, Vermögensverwalter, Hedge Funds sowie Versicherer in Europa und Asien bzgl. deren strategischen Recruitings in Risk und Compliance. Er vertraut dabei auf einen strukturierten und informations-basierten Ansatz, der ihn und die Options Group positiv von anderen Beratungen unterscheidet.   Seine Freizeit verbringt er mit Wandern, Surfen und Fitnesstraining.

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